Prizes
2012
INNOVATIONSPREIS BEHINDERTENPOLITIK der Stadt Köln für die Produktion ANDERLAND mit Menschen mit Demenz, Kulturfestival Sommerblut, Köln
2011
Auszeichnung der Montagstiftung KUNST UND GESELLSCHAFT, Bonn für das Projekt ELEFANT IM RAUM, Schlosstheater Moers
2006
Deutscher Theaterpreis DER FAUST, Nominierung für beste Regie für die Produktion ICH MUSS GUCKEN, OB ICH DA BIN, Schlosstheater Moers Robert Jungk Preis für ICH MUSS GUCKEN, OB ICH DA BIN, Schlosstheater Moers NRW TICKET KULTURPREIS für ICH MUSS GUCKEN, OB ICH DA BIN, Schlosstheater Moers
2005
1. Preis Festival Theaterzwang, Dortmund für die beste Produktion für DER BAU von Franz Kafka
2004
Publikumspreis des Landes NRW für die Produktion VOM TEUFEL MIT DEN DREI GOLDENEN HAAREN, von F.K. Waechter beim Kinder- und Jugendtheatertreffen, Düsseldorf
2000
Theaterpreis der Stadt Moers für die Produktion WOYZECK von Georg Büchner
Press
ANDERLAND – EINE REISE OHNE RUDER INS LAND DER DEMENZ, Wachendorff/Henn, Kulturfestival Sommerblut, Köln + -
ANDERLAND im Theater im Ballsaal (Bonner Generalanzeiger, 11.06.2012)
Fünf »Experten« aus der fremden Lebenswelt agieren mit vier Profi-Schauspielern bei diesem szenischen Reigen, der alltägliche Erfahrungen mit grotesken Situationen verbindet und einen theatralen Bogen schlägt zwischen scheinbarem Normalverhalten und dem vielseitigen ANDERLAND, in dem die Alten zu hilflosen Kindern werden, aber mit ihren Erfahrungen und Fähigkeiten eine spielerische Präsenz behaupten, die Mut macht für die unfreiwillige Reise ohne Rückfahrschein.
Die drastischen Demütigungen, Aggressionen und Verletzungen auf beiden Seiten der Krankheit verschweigt die Inszenierung nicht, findet aber in 90 Minuten immer wieder Momente von möglicher Nähe und feinem Humor.
Jede Vorstellung ist anders angesichts der dementen Darsteller, die sich selbst spielen und gleichzeitig Bühnenfiguren sind, die vorsichtig im Spiel gehalten werden müssen oder wie Helga Born einfach glücklich sind mit ihrer eigenwilligen Theatergegenwart. Die »echten« Schauspieler lieferten das stabile Gerüst für die spielerischen »Verwirrungen«. Eine sehr kluge Kunst-Begegnung mit geistreicher Empathie.
Elisabeth Einecke-Klövekorn (Bonner Generalanzeiger, 11.06.2012)
KEIN PLAN, Wachendorff, Festival Akzente, Duisburg + -
Philosophische Performance in Pink, Blau, Gelb und Grün (WAZ, 09.03.2012)
Was ist, wenn man im plötzlichen Nichts – zu nichts Gewohntem mehr zurückgreifen kann? Etwas, das Orientierung und Halt bietet, für etwas Sicherheit – um den nächsten Schritt setzen zu können?
Da ist immer noch der eigene Name, der wohl bleibt und bleiben soll, um sich nicht zu verlieren. Die Zuschauergruppe, die das Theaterstück KEIN PLAN besucht, wird mit eben diesem ausgestattet. Jeder der Besucher erhält zudem einen Eimer mit etwas Proviant für den langen Weg, der das Ziel sein soll: Eine Flasche Wasser, ein Schokoriegel und ein Brief. Verena, Bernd, Amelie, Sarah … die Namen der Besucher erschallen aus den Tiefen der Ex-Klassenräume. Die Gruppe folgt zögernd den Sirenen und wird zu einem Raum geleitet, der quer mit Wäscheleinen durchzogen ist, an denen beschriftete Zettel hängen. Zwei Schauspieler lesen vor, verschenken Zeilen z.B.: «Nicht rücknehmbar sind die Worte und Gesten, die Sterne nicht zählbar, und der Charakter, wie ein Mantel, im Laufen zu Ende geknöpft – das sind die kläglichen Folgen der Eile.»
Jetzt hauen die Protagonisten ab, lassen die Besucher stehen und sind im Gang wieder zu finden. Zwei orientierungslose Clowns wissen nicht wohin. Gen Osten, gen Westen?
Ein Xylophon, das aus der Ferne ertönt. Der nächste Raum öffnet sich. Eine Tänzerin füllt den Raum, geleitet die Besucher in eben diesen. Position einnehmen, mitmachen. Zögernd folgt die Gruppe den Anweisungen der Tänzerin: Arme hoch, rechter Arm zur Seite, dann der linke. Was soll das? Aus den kantigen Bewegungen macht die Gastgeberin eine fließende – und da erschließt es sich: Es ist dein ganz persönlicher Raum. Soviel ist schon mal sicher, auch wenn du diesen immer wieder teilen musst.
Auf dem Gang befinden sich die beiden Verirrten immer noch auf ihre Suche und in ihrer Entschlusslosigkeit.
Eine weitere Tür öffnet sich, ein kleiner Kinosaal, ein Film:
Schlafen gehen, um aufzustehen
Und schlafen gehen
Um wieder aufzustehen
Das ganze Leben ist ein einsamer Kreis.
Die Unentschlossenen auf dem Gang, haben sich nun doch entschieden: Beide stecken ihre Köpfe in den Eimer und wissen sich beieinander. So ist es gut.
Der Drahtseilakt: Im nächsten Zimmer leistet die Tänzerin erneut Akrobatisches, dazu ein Kontrabass und die beiden Darsteller, die nun von Sehnsüchten und Hoffnungslosigkeit sprechen. Und von der Zeit, der ewigen, die ewig nicht anhält und verrinnt. Von Zeitlosigkeit und Lebensmüdigkeit und doch am Leben hängen, ein Tanz auf dem Drahtseil bis zum Tod.
Pause! Die Zuschauer werden in einen Snoozle-Raum geführt, Decken und Kissen, sie dürfen Platz nehmen. Es werden Baguette und Wein gereicht – und revolutionäre Worte. Wer hat die Macht, wem gehört die Welt, für wen ist dies hier alles, wer profitiert – und wie demokratisch ist die Demokratie? Meinungsbildung, Weltbild, Freiheit – alles eine Illusion – woran orientiert man sich nun? Parole, Parole, Parole singt die Tänzerin. Mitten im nächsten Raum ein Stück Baumstamm, auf dem eine Frau sitzt, ein Feuer brennt dazu. Frei rezitiert sie. Erzählt von einer Welt, in der gar nichts mehr so ist, wie es vielleicht einmal war. Auf nichts ist mehr Verlass, was eben noch war, kann im nächsten Moment schon Vergangenheit sein. Gewalt, Mord und Tod sind allgegenwärtig. Und da ist kein Ende abzusehen, niemand, der dir hilft oder dir einen Weg weist. Wie ist das bloß auszuhalten? Du überlebst, indem du unmenschlich wirst. All das, was Empfindsamkeit, Anteilnahme, Miteinander ausmacht, muss weg. Nur wenn du abstumpfst, hast eine Chance. Da nutzen auch keine guten Worte. Das Feuer erlischt. Die Besucher werden alleine gelassen.
Erneut folgen sie zögernd den Bassklängen. Das Klassenzimmer ist über und über mit Kerzen bestückt. Der Bassist ergreift die Initiative, macht einen Cut, nun ist es gut.
Miriam Reichert (WAZ, 09.03.2012)
ELEFANT IM RAUM – EIN THEATERPROJEKT MIT JUNGEN MENSCHEN, DIE DEM TOD NAHE WAREN, Wachendorff, Schlosstheater Moers + -
Lebensfreude neu definieren (Rheinische Post, 04.02.2012)
Barbara Wachendorff, die bereits mehrfach Projekte auf der Grenze zwischen sozialer Wirklichkeit und Theater realisiert hatte, wagt eine mutige Inszenierung.
Mit Krankheit Angst und Tod befasst sich niemand gerne. Die Regisseurin nähert sich dem Thema auf zwei Ebenen. Sie dokumentiert die Fakten, um sie dann spielerisch aus dem realen Raum heraus zu holen. Sie greift die Perspektive der jungen Menschen auf und lässt sie als Experten der eigenen Sache zu Wort kommen. (…)Barbara Wachendorff inszeniert unangestrengt, in dem sie Späße wagt (…). Gleichzeitig gelingt es, berührende Momente zu schaffen.
Anja Katzke (Rheinische Post, 04.02.2012)
ELEFANT IM RAUM – EIN THEATERPROJEKT MIT JUNGEN MENSCHEN, DIE DEM TOD NAHE WAREN, Wachendorff, Schlosstheater Moers + -
Starke kranke Kinder (Theater pur 05.02.2012)
Dramatisierung, übertriebene Emotionalisierung ist die Sache der feinfühligen, menschlich warmen Aufführung nicht.
Überzeugend vermittelt sie uns, dass ein »normaler« Umgang mit den Betroffenen besser ist als übertriebenes, schlimmstenfalls gar geheucheltes Mitleid. Die Jugendlichen berichten, wie schwer eine Reintegration in die alte Gemeinschaft nach überstandener Krankheit sein kann: Wer nicht krank war, findet oft keinen Zugang zu ihrer neuen Gedankenwelt und Reife. Und natürlich berichten sie auch von Momenten der Angst. Der sie aber ebenfalls erstaunlich rational begegnen: »Das Leben ist wie eine Mutprobe«, hat Egzon Osmani, erkrankt an spinaler Muskelatrophie, gesagt. Der kann nicht mehr laufen, doch seine Aussagen sind von bewundernswertem Optimismus. Die lauernde Todesgefahr ähnele »Greifarmen, Tentakeln«, die über der Gemeinschaft der Kranken schweben, heißt es an anderer Stelle: Den einen packen sie und den anderen nicht. Totenstille herrscht im Publikum, als Matthias Heße erzählt von dem Jungen in der Klinik, der irgendwann seine Eltern in den Park oder in die Cafeteria schickt, damit sie sich ein wenig stärken. Während ihrer Abwesenheit stirbt er. »Ich bin sicher, er hat das gewusst«, sagt eine seiner Kolleginnen. Kinder, die stärker sind als ihre Eltern…
Dietmar Zimmermann (Theater pur 05.02.2012)
SUCHE ARBEIT – BIETE LEBEN, Wachendorff, NRW Kultursekretariat/Consol Theater, Gelsenkirchen + -
Aus einem Arbeits(losen)-Leben in Gelsenkirchen (WAZ, 22.02.2010)
»Ich könnte eine Tapete aus Absagen basteln. Eine einzige weiße Wand aus Briefen«. Der junge Türke ist frustriert. Er findet keine Arbeit — und keinen interessiert’s.
Umgeben von hunderten Briefen eilen die Menschen an ihm vorbei, nehmen keine Notiz von dem, der zurück bleibt. So resigniert auch er im Kampf gegen die erfolglose Arbeitssuche. Bei seinem kleinen Solo zeigt Halil Akci (19) eine Szene, wie sie viele Schulabgänger kennen: keine freie Stelle, fadenscheinige Argumente der Arbeitgeber. Sehr authentisch porträtiert die Projektgruppe von Barbara Wachendorff die unterschiedlichen Fallstricke eines Arbeits(losen)-Lebens. Sechs der Darsteller leben sogar selbst seit mehreren Jahren mit Hartz IV.
Voller Erfolg, trotz schwieriger Thematik
Die Premiere des Stücks »Suche Arbeit- biete Leben« am Freitag im Consol-Theater war ein voller Erfolg. Vor ausverkauftem Haus zeigten die Laiendarsteller Einzigartigkeit und regten den Zuschauer schon zu Beginn zum Nachdenken an. Die Szenen, die Alt wie Jung darstellen, entstanden hauptsächlich durch Improvisation und unter Berücksichtigung der eigenen Erfahrungen. Das ist manchmal harter Stoff: z.B. wenn Christina allein auf der Bühne steht und von dem Selbstmord ihres Vaters spricht. Er wollte keinem zur Last fallen. »Wie können wir unsere Alten pflegen, wenn wir selbst in Arbeit ersticken?«, fragt sie lautstark. Solche Szenen, stark gespielt, lassen das Publikum eschauern. Vor allem deshalb, weil die Schauspieler so normal, ihre Erfahrungen so echt wirken. Die Nebenhandlungen bestärken dies: So versucht im Hintergrund jemand, sich das Leben zu nehmen, während ein anderer dessen ungeachtet seiner alltäglichen Arbeit nachgeht.
Grenzen zwischen Spiel und Wirklichkeit verschwimmen
Auch die Zwischenelemente haben großen Wert. Während Gisela Majewski über die Folgen der Globalisierung auf dem Arbeitsmarkt spricht, unterbricht die Musicaldarstellerin Barbara Johnson: »Is this a play?« Ja, da stutzt man. Wo sind hier noch die Grenzen zwischen Spiel und bitterer Wirklichkeit? Doch den Humor haben die Teilnehmer nicht verloren. So raten ›Gloria aus Florida‹ und ›Natalie aus Pari(s)‹: »Seid freundlich und lächelt.« Schön, wenn das den Darstellern auch dann noch gelingt, wenn sie sich erneut in ihren Kampf um Arbeit, Hartz IV und gegen den Stress begeben.
Melanie Meyer (WAZ, 22.02.2010)
VERGISSMEINNICHT, Wachendorff/Henn, Schlosstheater Moers + -
(Rheinische Post, 17.10.2009)
Die Szenenübergänge sind fließend. Mal spielt Silbernagl aus der Perspektive der Angehörigen, der mit der Situation nicht umzugehen weiß, die krampfende Mutter fest im Arm hält und zu beruhigen versucht. Dann wieder schlüpft er in die Rolle des Betroffenen, der von Ärzten mit Spritzen traktiert und von Pflegern wie ein Kleinkind eingecremt wird. »Warum laufen Sie hier durch meine Wohnung, ich kenne Sie doch gar nicht«, ruft er.
Barbara Wachendorff hat Situationen zusammen getragen, die Angehörige von Demenzkranken nur zu gut kennen. Dennoch ist die Inszenierung nie bedrückend, sondern überraschend leicht und ein wenig schräg – auch weil die Regisseurin ins Absurde überzeichnet, Slapstick einbaut und auf Humor setzt. Am Ende gab es standing Ovations und rote Rosen für die Darsteller und das Regieteam.
Anja Katzke (Rheinische Post, 17.10.2009)
Siehe auch www.vergissmeinnicht-das-stück.de
VERGISSMEINNICHT, Wachendorff/Henn, Schlosstheater Moers + -
Professor Dr. Hans Georg Nehen schrieb uns folgenden Brief nach der Aufführung: (02.12.2009)
Vergissmeinnicht – ein theatrales Spiegelkabinett zum Thema Demenz zeigt in sehr eindrucksvoller Weise die verschiedenen Kommunikationsebenen zwischen einem Demenzpatienten -in und dem Betreuer bzw. der Betreuerin. Ständig wechseln die rationale Ebene und die emotionale Ebene in der Kommunikation. Auch die Schauspieler wechseln ständig die Rollen vom Patienten bzw. Patientin zum Betreuer bzw Betreuerin. Der Zuschauer ist anfangs verunsichert, wer welche Rolle spielt, er muss mitdenken und miterleben und wird so immer tiefer in die Erlebniswelt des Demenzpatienten geführt. Die eigene Verunsicherung spiegelt die Erlebniswelt des Patienten wieder.
Die asymmetrische Kommunikation führt immer wieder zu grotesken Situationen, zu Komik und zu Aggression. Dadurch wird die Welt des Dementen immer lebendiger erlebbar. Der plötzliche Wechsel der Sprache (Deutsch/Französisch) lässt erahnen, wie unverständlich die Sprache des einen für den anderen sein kann, es sei denn, man erlernt die Sprache des anderen.
Die hohe schauspielerische Leistung lässt den Zuschauer phasenweise vergessen, dass er im Theater sitzt und nicht in der Realität des Alltags einer Familie mit einem Demenzpatienten. – Ich habe bisher keine bessere Darstellung des Themas gesehen. Jeder »Erklärungsversuch« der Demenz muss sich an diesem Stück messen lassen.
Prof. Dr. Hans Georg Nehen
Klinikdirektor Memory Klinik Essen
02.12.2009
DIE PRÄSIDENTINNEN, Schwab, Schlosstheater Moers + -
(Rheinische Post, 26.4.2009)
Barbara Wachendorffs Inszenierung ist nicht minder böse, sarkastisch und grotesk wie die sprachgewaltige Vorlage Schwabs, die bewusst die Grenzen des guten Geschmacks auslotet. Wenn Erna ihren Stuhlgang bis ins kleinste Detail beschreibt, während Mariedl mit den Händen den Kuchenteig rührt, dann bleibt das Lachen im Hals stecken. Wachendorff würzt die Geschichte aber mit einer großen Portion Humor und nutzt komische Elemente, damit das Lachen leichter fällt: Eine kleine Kirschen-Schlacht als Dreingabe muss zum Beispiel sein. Zugleich erlebt das Publikum ein sehr körperbetontes und lebendiges Stück, das mit der Erotik spielt, erst unterschwellig, dann zugespitzt, bis die schließlich Ernüchterung folgt: »Am besten wir sind ein bisschen lustig zusammen« , sagt Erna danach – was folgt, ist Schweigen.
Anja Katzke (Rheinische Post, 26.4.2009)
MAULSONSTAUGE, Wachendorff, Städtische Bühnen Münster + -
(Münstersche Zeitung, 13.10. 2008)
Die eigentliche Absurdität von Gewalt, ihre Tageslaune, löst sich in artistischen Sprüngen und balletthaften Capoeira-Einlagen auf (Choreographie: Tamami Maemura) oder verdichtet sich in familiären Apokalypsen:
»Mein Vater hat meine Mutter geschlagen und meinen kleinen Bruder aus dem Fenster geworfen«. In plakativen Statements, lustvoll ausgetobten Streitereien, in Schattenspiel, gesteppten Parodien und getrommelten Leitmotiven stürmen die 13 Jugendlichen über die Bühne. Eine wilde Menschenschlange, die sich häutet, in dem sie »aus der Haut fährt«. Witz und Ironie verbürgen darstellerische Authentizität, an der die Psychologie der Gewalt wahrnehmbar wird.
Die Energie der Jugendlichen steht im Kontrast zur verkrampften Attitude der theoretisch besorgen Erwachsenenwelt, (brilliant: Carola von Seckendorff, Frank Peter Dettmann, Jonas Vietzke) Bürokraten und Manager quetschen sich in die Kästen des Bühnenbildes wie in Legebatterien und posieren mit didaktischen Merksätzen, die gleichzeitig zur Abwehr der Realität dienen. Danach nimmt die Jugend ihr Schicksal selbst in die Hand. Exemplarisches Theaterspiel, ein toller Abend!
Günther Moseler (Münstersche Zeitung, 13.10. 2008)
TARZAN UND HEIDI – ÜBER LEBEN OHNE SCHRIFT, Wachendorff/Henn, Schlosstheater Moers + -
(DIE DEUTSCHE BÜHNE, JULI 2007)
Aus vielen Gesprächen und Erzählungen hat Barbara Wachendorff mit dem Ensemble eine Textfassung montiert die vom Nervenkrieg im Supermarkt, wenn man den Einkaufszettel nicht lesen kann, bis in die kleinsten Selbstverständlichkeiten des Alltags geht. Der Analphabet will niemals zugeben, dass er nicht lesen kann, und manövriert sich in absurde Situationen. Die beiden spielwütigen Schauspieler Jonas Vietzke und die vor Energie fast explodierende Eva Verena Müller entwickeln aus dem Geist der Comedia dell´ arte umwerfende Slapstickszenen, in denen das Lachen unversehens in den Schrecken kippt. Sie öffnen das Publikum mit Mitteln der Farce und dann schaut man plötzlich Menschen zu, die nicht mehr weiter wissen, sich nackt fühlen, in ihrer Hilflosigkeit ausgestellt, die das Gefühl haben, ihre Würde zu verlieren. Ein spielerisch sehr starker Abend.
Stefan Keim (DIE DEUTSCHE BÜHNE, JULI 2007)
TARZAN UND HEIDI – ÜBER LEBEN OHNE SCHRIFT, Wachendorff/Henn, Schlosstheater Moers + -
(KULTUR HEUTE, 13.05.07)
Auf ähnlichen Grundlagen ist TARZAN & HEIDI entstanden. In der Regie von Barbara Wachendorff konfrontieren die jungen und überaus spielfreudigen Schauspieler Eva Müller und Jonas Vietzke das Publikum mit den alltäglichen Dramen von Analphabeten. Auch hier fehlt jeder Betroffenheitsgestus, die Aufführung erinnert an die alten »Dick und Doof« Filme, die ihre Kraft ja aus dem wunderbaren Humor ihrer tollpatschigen Protagonisten beziehen. Mit der Armutskampagne, zu der auch Fotoausstellungen, Lesungen und eine Tauschbörse gehören und die in der kommenden Spielzeit fortgesetzt werden soll, verlässt das kleinste Stadttheater der Republik den traditionellen Theaterraum, besetzt dafür aber einen Raum, den das Theater seit jeher für sich reklamiert, aber immer seltener bespielen kann: es wird zu dem Ort, an dem die Kommune ihre Angelegenheiten verhandelt, Verdrängtes in den Diskurs zurückholt. Die Moerser Inszenierungen machen dabei deutlich, dass soziales Engagement im Theater mehr als Agitprop, Kabarett oder blechern Dokumentarisches sein kann.
Hermann Theißen (KULTUR HEUTE, 13.05.07)
KULTUR DER BARMHERZIGKEIT, Wachendorff/Ensemble, Städtische Bühnen Münster + -
Barmherzigkeit blüht in der Trostlosigkeit (DIE GLOCKE, 29.01.2007)
Es gehört zu ihrem Wesen, Barmherzigkeit findet man nur dort, wo es unbarmherzig zugeht. Wo Menschen Hunger und Durst haben, Fremde kein Obdach, Nackte keine Kleidung. Barmherzigkeit blüht in der Trostlosigkeit. Daher muss es nicht verwundern, dass sie gestern zwischen den kahlen Mauern aus dem Boden schoss.
In einem leer stehenden Bürogebäude mit dem zweifelhaften Charme der 60er Jahre fanden die Möglichkeiten menschlicher Not ihren grauen Betonrahmen, von dem eine Kultur der Barmherzigkeit um so leuchtender hervorsticht- genau so aber ihr Fehlen.
Eine selbst sprechende Kulisse also für das gleichnamige Theaterprojekt der städtischen Bühnen in Kooperation mit den Kirchen Münsters, das die sieben Werke der Nächstenliebe in kultureller Gestalt vorführte. Und zwar von Menschen, die wissen, wie nötig diese Zeichen der Humanität in der heutigen Zeit sind. Hautnah vermitteln Migranten, Obdachlose, und straffällig gewordene Jugendliche gemeinsam mit Schauspielern in neun Kleininszenierungen unter Gesamtregie von Barbara Wachendorff, welch rückwirkende Eindringlichkeit der Blick auf den Nächsten haben kann. Heute!
Dr. Kerstin Heil (DIE GLOCKE, 29.01.2007)
ICH MUSS GUCKEN, OB ICH DA BIN, Theaterprojekt mit Menschen mit Demenz, Wachendorff/Henn/Bell, Schlosstheater Moers + -
Jenseits der Erinnerungen kann der Himmel liegen. (WAZ, 04.05.2005)
Manchmal geschieht im Theater ein Wunder. Dann gibt es eine Bewegung, eine Berührung, die kein Verstand erklärt. Manchmal gibt es im Theater Momente der Wahrheit, dann erkennt man etwas, das im Verborgenen lag.
Beides ist in Moers zu erleben, bei dem Projekt ICH MUSS GUCKEN, OB ICH DA BIN. Es spielen sieben Demenz-Patienten, begleitet und behutsam geführt von 3 Schauspielern. Menschen, die sich nicht erinnern können. Die sich selbst vergessen haben und doch lachen und schimpfen können. Menschen, die unsere Welt schon ein wenig verlassen haben und in ihrem eigenen Kosmos voll Heiterkeit und Trauer, voll Unruhe, Trost und Zorn leben. Sie treten auf die Bühne und man kann nur staunen, dass sie das tun. Es geht, weil sie es wollen und sie wollen es, weil es ihnen gut tut.
Quer über die Bühne sind Leinen gespannt, daran hängen Bettlaken. Ein Mann mit einem Koffer kommt herein, hinter ihm eine Frau. Er versucht, seinen Hut an die Wand zu hängen, findet den Nagel nicht. Die Frau nimmt ein Laken von der Leine, schaut sich um. »Herr Mertens?« ruft sie. »Herr Mertens!« Er ist fort. An der Wand hängt der Hut. Es ist ein sehr poetischer Anfang. Regisseurin Barbara Wachendorff lässt ihn nicht von den Dementen spielen, sondern von denen, die ihre Gesten und Worte bewusst setzen können. Sie deuten sehr sanft an, was das sein kann, dies Hiersein und Fortgehen.
(…) Einmal tanzen sie alle, auch die im Rollstuhl, die Plisseedame spielt die Waldeslust auf dem Klavier dazu. Und plötzlich ist die Stimmung so wunderbar schwebend, dass man einfach glauben möchte, was man da sieht. Dass es eine andere Welt gibt, ein anderes Land, in das die Vernünftigen, die Gesunden nicht gelangen können. Dass der Himmel in einem Moment der Erinnerung liegt und in tausend Minuten des Vergessens.
Gudrun Norbisrath (WAZ, 04.05.2005)
VOM TEUFEL MIT DEN DREI GOLDENEN HAAREN, Waechter, Schlosstheater Moers + -
Kerniger Klamauk (Rheinische Post, 11.11.2005)
In ebenso gewagtem wie genialen Balanceakt verkörpert Jonas Vietzke König und Prinzessin, Soldaten und Räuber, die Großmutter, den Teufel, die Räuberbabuschka, die Kröte, den Riesen, und, und, und. Ein schweißtreibender Kraftakt über Berg und Tal, der ganzen Körpereinsatz fordert. Gleichmaßen turbulent geht es auch in der Sprache zu, vom Kampfgebrumm der Riesen über das liebliche Gesäusel der Prinzessin zum Gregorianiksingsang des Prälaten. Seinen Gipfel erreicht der kernige Klamauk im Wiegenlied für den Teufel: »I can get no satisfaction«. Die Zuschauer amüsierten sich köstlich bei diesem theatralischen Genuss, der mit unaufwändigem Spiel ein reiches Ergebnis liefert. Teuflisch gut!
Petra Riederer-Sitte (Rheinische Post, 11.11.2005)
BILANZ, Projekt über das Altern, Wachendorff/Wahlster, Schlosstheater Moers + -
Wie sich das Altern anfühlt (Westfälische Rundschau, 13.12.2003)
Regisseurin Barbara Wachendorff hat es geschafft, aus dem Erinnerungskaleidoskop eine mal melancholische, mal komische Revue über Leben, Altern und Sterben zu arrangieren, und die Darsteller vermitteln nicht nur den eigenen Enkeln ein authentisches vielschichtiges Bild vom Altern.
Kathrin Pinetzki (Westfälische Rundschau, 13.12.2003)